Von endogener Depression bis rezidivierender depressiver Störung – Depression ist nicht gleich Depression

Alte Definitionen und die neuen Klassifikationen der Weltgesundheitsorganisation einfach erklärt

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Lisa

Die Medizin ist ständig im Wandel. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse, veränderte Diagnosemöglichkeiten und diagnostische Kriterien sowie verbesserte Therapiemöglichkeiten sind Gründe dafür. Auch in der Psychologie hat sich einiges getan. So wurden Depressionen früher noch in drei Hauptkategorien (endogene Depression, exogene Depression, somatogene Depression) unterteilt, die – wie sich zeigte – aber bei fast jeder Depression eine mehr oder weniger große Rolle spielen und damit nicht trennscharf sind. Heute gibt es daher eine neue Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) . Wir erläutern zunächst die alten Definitionen, die teilweise immer noch gebräuchlich sind und gehen auch auf die neue Unterscheidung ein. Haben Sie selbst oder ein Angehöriger eine Depression, finden Sie sich so in diesen Klassifikationen wieder.

Depressionen: Endogen, exogen und somatogen

Früher wurden Depressionen in drei Kategorien eingeteilt, die sich vor allem auf die Ursachen der Depression stützen. Da die Begriffe auch heute noch häufig Verwendung finden, sollte Sie sich mit ihnen vertraut machen.

Endogene Depression

Die endogene Depression entsteht laut ihres Namens von innen heraus. Sie kann zwar auf keine erkennbare körperliche Ursache zurückgeführt werden, dafür aber auf eine Stoffwechselstörung im Gehirn. Diese führt dazu, dass wichtige Botenstoffe nicht ausgeschüttet werden. Die Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin und das als Glückshormon bekannte Serotonin sind davon betroffen. Letzteres ist unter anderem für die Regulation von Schmerzempfinden oder Schlaf und Stimmung verantwortlich. Im Gegensatz zur exogenen Depression, ist die endogene Depression also nicht auf ein bestimmtes Ereignis zurückzuführen. Teil einer endogenen Depression können nicht nur Tiefphasen sein, sondern auch manische Episoden. Die Stimmung kann damit zwischen depressiven Phasen und euphorischer Stimmung wechseln. Die endogene Depression kann durch Medikamente behandelt werden.

Exogene Depression

Die exogene, auch reaktive oder psychogene Depression hat keine körperlichen Ursachen. Vielmehr ist sie auf äußere Umstände zurückzuführen. Dabei kann es sich um schwerwiegende traumatische Ereignisse wie Krankheiten oder den Tod eines Angehörigen handeln. Manche Menschen können aber auch auf vermeintlich undramatische Ereignisse, die für andere keine gravierenden Einschnitte darstellen, mit einer Depression reagieren. Der Serotoninspiegel verändert sich bei einer exogenen Depression. Dies ist allerdings – nicht wie bei der endogenen Depression – die Ursache der Depression selbst, sondern die Folge. Medikamente helfen bei einer exogenen Depression nur bedingt, da sie nicht auf körperliche Ursachen beziehungsweise Stoffwechselstörungen zurückzuführen ist. Vielmehr muss dem Auslöser der Depression auf den Grund gegangen werden, um diese zu be- und verarbeiten.

Somatogene Depression

Der Begriff der somatogenen Depression bezeichnete eine Depression, die organisch, also körperlich oder hormonell bedingt ist. Die Ursachen können vielfältig sein. Man kann die somatogene Depression danach grob in zwei Gruppen unterteilen. Zum einen spricht man von einer organischen Depression, wenn sie in Folge von Problemen des Hirns (beispielsweise Schädigungen, Verletzungen, Tumoren) auftritt. Eine symptomatische Depression liegt dagegen vor, wenn die Hirnfunktion durch Erkrankungen wie Infektionen oder anderen Erkrankungen indirekt beeinflusst wird und sich auf die seelische Verfassung auswirkt. Durch das Zusammenspiel von körperlichen und seelischen Beschwerden, wird die Depression manchmal nicht oder nicht sofort erkannt, da oft zunächst nur die körperlichen Beschwerden therapiert werden, ohne den Einfluss des psychischen Zustands einzubeziehen.

Depressionen: Einteilung nach dem aktuellen Schema der WHO

Die internationale Klassifikation von Krankheiten ist ein Schema der WHO, das dabei hilft, Diagnosen zu systematisieren. Auch für psychische Erkrankungen existiert eine solche Klassifikation. Mit dieser wird die Einteilung erleichtert und Sie können Ihre eigene oder die Depression von Angehörigen genauer eingrenzen. Das erleichtert nicht nur für Sie selbst den Umgang mit der Erkrankung, weil Sie wissen, was Sie haben. Auch für die Therapie ist dies eine wichtige Grundlage. Im Gegensatz zu der alten Klassifikation, die die Ursachen zugrunde legt, beschäftigt sich die neue Klassifikation eher mit den Symptomen. Unter den affektiven Störungen fasst die WHO verschiedene Typen zusammen, bei denen sich die Stimmung entweder hin zu einer Depression oder auch zur Manie entwickelt: manische Episoden, bipolare affektive Störung, depressive Episode, rezidivierende depressive Störung, anhaltende affektive und andere Störungen sowie die nicht näher bezeichnete affektive Störung werden unterschieden. Wir gehen hier näher auf die depressiven Episoden und rezidivierende depressive Störungen ein.

Depressive Episode

Die depressive Episode ist eine Überkategorie für verschiedene Ausprägungen depressiver Episoden von leicht über mittelgradig bis schwer. Aber auch die sogenannte „sonstige depressive Episode“ oder „nicht näher bezeichnete Episode“ gehört hierzu.

Um eine depressive Episode handelt es sich grundsätzlich, wenn die depressive Episode nur einmal auftritt beziehungsweise, wenn die Symptome zum ersten Mal auftreten. Typisch sind:

  • Anhaltende gedrückte Stimmung
  • Verminderter Antrieb
  • Weniger Energie
  • Vermindertes empfinden von Freude
  • Allgemeines Desinteresse
  • Müdigkeit schon nach kleinen Anstrengungen

Weitere Symptome können sein:

  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Schlafstörungen
  • Beeinträchtigtes Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl
  • Das Gefühl von Wertlosigkeit
  • Pessimismus in Bezug auf die Zukunft
  • Der Gedanke an Selbstverletzung oder Suizid
  • Verminderter Appetit

Eine depressive Episode kann – muss aber nicht – mit somatischen Symptomen einhergehen, wie verminderter Appetit, Gewichts- oder Libidoverlust. Darunter fallen auch das bereits erwähnte mangelndes Interesse oder verminderte Freude an Aktivitäten, die bisher immer Spaß gemacht haben aber auch der Umstand, wenn Sie am Morgen zwei Stunden früher aufwachen als normalerweise und nicht mehr einschlafen können.

Welcher Schweregrad der depressiven Episode vorliegt, hängt von einem relativ komplexen Zusammenspiel zwischen der Anzahl, der Art und der Schwere der Symptome ab. Dies kann Ihnen Ihr Arzt genauer erläutern. Anzeichen für Sie selbst können aber sein, wie groß die Auswirkungen auf Ihr Sozial- und Arbeitsleben sind. So fühlt man sich bei einer leichten depressiven Episode zwar nicht wohl, kann aber seiner täglichen Routine nachgehen. Bei einer mittelgradigen depressiven Episode ist diese Fähigkeit eingeschränkt, sodass die täglichen Pflichten nur teilweise – je nach Tagesform – bewältigt werden können. Liegt eine schwere depressive Episode vor, wirkt sich dies bereits massiv auf das Sozialleben und den Arbeitsalltag aus. Die Arbeit kann beispielsweise oft nicht mehr ausgeübt werden und auch soziale Aktivitäten werden eingestellt. Ständige Betreuung oder ein stationärer Aufenthalt in einer Klinik sind dann notwendig.

Stellen Sie fest, dass die genannten Symptome öfter auftreten, handelt es sich nicht mehr um eine depressive Episode. Dann wird eher von einer rezidivierenden depressiven Störung gesprochen.

Rezidivierende depressive Störung

Die rezidivierende depressive Störung lässt sich, genau wie die depressive Episode, in leicht, mittelgradig und schwer einteilen und kann ebenfalls von somatischen Symptomen begleitet werden. Hinsichtlich der Symptome unterscheidet sich die rezidivierende depressive Störung zunächst nicht von den depressiven Episoden. Der Unterschied besteht aber darin, dass sich die depressiven Episoden bei der rezidivierenden depressiven Störung wiederholen. Die Episoden, die zwischen drei und zwölf Monaten anhalten können, sind voneinander unabhängig, treten im Abstand von mehreren Monaten auf und dauern mindestens zwei Wochen an.

Auch manische Episoden können eine Rolle spielen und kurz nach einer depressiven Episode auftreten – manchmal ausgelöst durch Antidepressiva. Allerdings finden sich keine davon unabhängigen manischen Episoden, die mit einer besonders gehobenen Stimmung oder Hyperaktivität einhergehen. Tritt eine länger anhaltende manische Episode auf, spricht man nicht mehr von einer rezidivierenden depressiven Störung, sondern von einer bipolaren affektiven Störung. Auch bei der rezidivierenden depressiven Störung muss dem Arzt die Einteilung in den jeweiligen Schweregrad überlassen werden, je nachdem wie ausgeprägt die Symptome sind, welche auftreten und wie lange sie anhalten.

Zwischen den einzelnen Episoden der rezidivierenden depressiven Störung ist meist eine vollständige Erholung möglich, sodass ein ganz normaler Alltag gelebt werden kann, der nicht von depressiven Verstimmungen begleitet wird. Erhalten Sie in einer solchen Phase aber noch Medikamente, um das Risiko einer weiteren Episode zu verringern, spricht man von einer rezidivierenden depressiven Störung, die gegenwertig remittierend ist.

Egal, ob Sie die Vermutung haben, dass Sie möglicherweise eine depressive Episode oder bereits eine depressive Störung haben – suchen Sie einen Arzt auf. Nur, wenn eine genaue Diagnose gestellt wird, kann die Therapie individuell auf Sie abgestimmt werden, sodass sich ein Therapieerfolg einstellt.


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