Leben mit Morbus Crohn: Liebe Angehörige, Ihr könnt helfen!

Wie hilft man einem geliebten Menschen, der mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) lebt? Unsere Gast-Autorin Michaela Schara lebt mit Morbus Crohn und erklärt, was sich Betroffene wünschen.

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Michaela Schara

Schätzungen zufolge leben rund 440.000 Menschen in Deutschland mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED). In Österreich geht man von etwa 80.000 Betroffenen aus. Ein Mangel an Information über die Krankheit und das Tabu, mit dem Verdauungsprobleme nach wie vor verbunden sind, lassen Angehörige oft ratlos zurück, auf welche Weise sie einer geliebten Person nach einer Diagnose am besten den Rücken stärken können. Die Autorin und Illustratorin Michaela Schara, selbst seit über 10 Jahren die ständige Anwesenheit ihres Begleiters Herr Crohn gewohnt, teilt für uns Tipps und Erfahrungen für Angehörige und Betroffene. Erhalten Menschen die Diagnose, dass sie mit einer chronischen Erkrankung wie Morbus Crohn leben müssen, ist das nicht nur ein Schock für sie selbst. Auch Angehörige wissen oft nicht, wie sie mit der neuen Situation umgehen sollen und wie sie Betroffenen helfen können. In der Reihe „Leben mit Morbus Crohn - Tipps für Angehörige“ gibt unsere Gast-Autorin Michaela Schara wertvolle Tipps und Tricks und verrät, was sich Betroffene wünschen.

Ich habe Morbus Crohn. Da hat man mitunter endlose Durchfälle, heftige Krämpfe und stechende Schmerzen. Man quält sich durch Untersuchungen und Therapien hindurch, lernt Hoffnungen nicht zu hoch zu schrauben und sich dafür von zufälligen Erfolgen überraschen zu lassen.

Man hat miese Zeiten, wo man am liebsten sterben möchte. Und man hat Zeiten, da geht es einem normal - also so, wie es einem Gesunden geht. Nur mit dem Unterschied, dass man sich immer daran erinnern muss, dass Morbus Crohn nicht heilbar ist.

Das beste, was man erreichen kann, ist eine langanhaltende Remission, wie man die schubfreie Zeit bei Morbus Crohn nennt. Aber wenn man eine hat, dann weiß man nie, wie lange die anhält und wann der Crohn wieder aufwacht um weiter zu wüten.

Aber das ist ok, irgendwann versteht man es, man kann damit leben lernen und - wie es eine meiner Ärztinnen mal gesagt hat - ein hohes Alter erreichen.

„Diese Sätze sind manchmal schmerzhafter als die Erkrankung selbst.“

Die Schmerzen im Schubfall sind zermürbend, die Therapien mitunter genauso. Dennoch: Man kann damit leben und trotzdem glückliche Zeiten haben. Was ich fallweise jedoch als schlimm und wirklich mühsam empfinde, sind Sätze wie diese, von Menschen aus meinem Umfeld, von Freunden, Familienmitgliedern oder beiläufigen Bekannten:

„Aber du schaust gar nicht krank aus, man sieht es dir wirklich nicht an.“

„Melde dich, wenn es dir besser geht!“

„Ich will dich nicht stören, du schläfst vielleicht oder es geht dir grad nicht gut…“

„Denk positiv! Anderen geht´s viel schlechter.“

Diese Sätze sind manchmal schmerzhafter als die Erkrankung selbst. Und dabei auch noch gut gemeint. Weshalb man nicht mal sauer sein darf.

Was mich auch nicht glücklicher macht, denn irgendwo muss der Frust ja dann hin und die Klomuschel ist in crohnisch-aktiven Zeiten mit anderen Dingen ausreichend belastet. Darum diese Serie mit Tipps für Menschen, die Angehörige, Bekannte oder Freunde haben, die wie ich an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung leiden.

Die Liste ist unvollständig, sehr subjektiv und kann bei jedem°r anderen CED-Patient°in komplett anders aussehen. Aber es ist ein Anfang und vielleicht sorgt sie dafür, dass man beginnt miteinander zu reden. Damit wäre das erreicht, was ich mir sehnlichst wünsche: Mehr Wissen und Verständnis für Menschen mit CED und deren Angehörige.

Wichtig vorab:

Wer eben erst seine Diagnose erhalten hat, steht unter Schock und muss das Ganze erst verarbeiten. Als Patient°in muss man nun lernen, was das zu bedeuten hat und wie sich das Leben rundum gestalten lässt. Zu erfahren, dass da etwas ist, das den Rest des Lebens immer wieder verdammt schmerzhaft sein kann und für Probleme sorgt, kann einem schon den Teppich unter den Füßen wegziehen.

Hat man dann irgendwann Fuß gefasst im neuen Dasein, sich mit den nicht zu vermeidenden Details abgefunden und den Kampf aufgenommen, dann ist man auch eher bereit, sich den familiären Belangen, Fragen und Geschehnissen zu stellen.

Das Problem ist nur leider so, dass eine solche Diagnose über den°die Erkrankte°n hinaus geht und auch die unmittelbare Umgebung, also Familie und enge Freunde betrifft. Während der°die Betroffene im medizinischen Ablauf steht und da auch fallweise psychologische Unterstützung angeboten bekommt, bleibt die Umgebung sich selbst überlassen. Die Gesellschaft wiederum erwartet von den Angehörigen, dass diese im Fall des Falles intuitiv wissen, welche Pflegehilfe auf körperlicher, mentaler und emotionaler Ebene zu geben ist.

Als ob die Erkrankung überspringt und bei der Familie automatisch irgendwelche, von Natur aus einprogrammierte, Versorgungsreflexe aktiviert. Das tut es aber nicht, das passiert nicht von selbst. Auch die nahe Umgebung steht unter Schock aber meist ohne Betreuung. Als Erkrankte°r ist man dann zusätzlich gefordert und muss, neben dem Bewältigen und Verarbeiten der eigenen Erkrankung und der Therapien, auch noch Hilfestellung für die Angehörigen bieten. Das ist zu viel und kaum zu schaffen. Spannungen und Missverständnisse sind vorprogrammiert, was keinem hilft und zusätzlich für eine Verschärfung der Lage sorgt.

„Das hilft nichts, es geht nicht wieder weg, wenn man es nicht beachtet oder nicht wahrhaben will.“

Meist pendelt das Verhalten zwischen zwei Positionen: Rückzug und Einigeln, die Sache nicht wahrhaben wollen und nicht darüber reden wollen... Allein: Das hilft nichts, es geht nicht wieder weg, wenn man es nicht beachtet oder nicht wahrhaben will.

Der Gegenpol ist immense und übertriebene Fürsorge. Oder Grenzüberschreitungen, durch massive Beratschlagung und heftiges Klammern, aus Angst, den geliebten Menschen an die Erkrankung zu verlieren. Alles mitsammen sind verständliche Reaktionen, aber leider nicht förderlich für die Beziehung und auf Dauer eine Qual für alle Beteiligten.

Der mühsame Weg ist mitten drin, durch ein weites Feld, mit unzähligen Beziehungstretminen. Immer gewahr, dass man mit einem Schritt aus der guten in die gefährliche Zone wechselt und es erst merkt, wenn es schon kracht.

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